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KW48 - Googles lang geplanter zweiter Frühling
Doppelgänger Update (BETA)
Von Philipp Klöckner · 26. November 2025
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❤️ Danke an alle, die letzte Woche neue Leser:innen auf unseren Newsletter aufmerksam gemacht haben! Die “Share the Newsletter” Funktion findet ihr am Ende der aktuellen Ausgabe und das Rennen startet jeden Montag von neuem. Diese Woche wurde es aus logistischen Gründen ausnahmsweise mal wieder der Mittwoch. SORRY. Der heutige Newsletter hat 1.307 Wörter und das vollständige Lesen dauert etwa 5 Minuten. Heute ist Mittwoch, der 26. November 2025 und die KW48 startet.
🫧 Googles lang geplanter zweiter Frühling

Gemini 3 Pro war scheinbar ein Übernacht-Erfolg für die KI-Forscher von Google. Das neue State-of-the-Art-Modell schlägt andere Modelle nicht nur in vielen Benchmarks: teilweise deklassiert es sie und definiert neue Standards. Stellvertretend könnte man das Ergebnis im “Humanity’s Last Exam” nennen, wo Googles Modell inzwischen rund 46 Prozent der Fragen richtig beantwortet.

Wie so oft, wurde dieser Erfolg aber von langer Hand vorbereitet. Kaum ein Unternehmen widmet sich dem Thema künstliche Intelligenz mit mehr strategischer Weitsicht als die Google-Mutter Alphabet. Und damit meine ich nicht etwa, dass man wie Sam Altman, Mark Zuckerberg & Co. eine Billionen-Dollar-Investitionsvision in die Zukunft projiziert.
Google-CEO Sundar Pichais Hellsichtigkeit geht mindestens bis in das Jahr 2013 zurück. Beim Experimentieren mit Spracherkennung und Bildverarbeitung machen Google-Forscher zunehmend Fortschritte. Jedoch stößt man auch an die ersten Kapazitätsgrenzen. Das Trainieren und Anwenden der eigenen Machine-Learning-Ansätze verbraucht erhebliche Ressourcen. Die CPUs und GPUs (Graphik-Chips, die sich zufällig für AI eignen) in Googles Rechenzentren glühen und rauben Rechenzeit von anderen Business-Units des Suchmaschinenkonzerns.
Wenn Machine Learning so aufwändig bleibt, werden die ersten Applikationen das Labor nie verlassen. Unwahrscheinlich, dass Nutzer dafür zahlen werden oder man es mit Online-Werbung refinanzieren könnte. Ingenieure bei Google fassen einen Beschluss, der bis heute das Schicksal der Firma beeinflusst.
Vor mehr als einer Dekade, noch zwei Jahre, bevor OpenAI überhaupt erst gegründet wird, beschließt Google, eigene Application-Specific Integrated Circuits zu entwickeln. Die ASICs abgekürzten Spezialschaltkreise werden auf ein paar sehr konkrete Use-Cases, nämlich das Training und insbesondere die Inference, also Anwendung, von KI-Modellen optimiert.
Durch sie Hyperspezialisierung auf die für KI wichtige Matrixmultiplikation für statistische Modelle wird Googles eigene Hardware nicht nur extrem leistungsfähig, sondern auch maximal effizient. 2015 erblickt die erste Generation der Chips das Neonlicht eines Datacenters. Den Namen Tensor Processing Unit (TPU) verdanken sie den Matrizen, die sie so ökonomisch wie kein anderer Chip damals “wegrechnen”.
Zwischen Planung und Produktion der TPUs, Anfang 2014, kauft Google zudem das Londoner KI-Labor DeepMind für - aus heutiger Sicht - lächerliche 500 Millionen US-Dollar. Die Forscher von DeepMind sollten später nicht nur Nobelpreise einsammeln, sondern werden wichtige Durchbrüche und Grundlagenarbeit in der KI-Forschung präsentieren.
Es ist 2015. NVIDIA baut noch Grafikkarten. Eine Datacenter-Sparte gibt es praktisch noch nicht. Niemand, außer ein paar Bitcoin-Miner, braucht GPUs. Insidern wird erst jetzt die mögliche Dominanz Googles bewusst. Sam Altman, Ilya Sutskever, Elon Musk und andere gründen ein Konkurrenzlabor, auch weil man Angst hat, dass der Suchmaschinenmonopolist Google ein so wichtiges Thema wie KI dominieren könnte. Das Gemeinschaftsprojekt soll “OpenAI” heißen und wird von prominenten Investoren wie den “PayPal-Mafiosi” Peter Theil und Reid Hoffmann sowie von Amazon Webservices unterstützt.
Später soll der offene Forschungsverbund zum Spielball der finanziellen Interessen und Großmacht-Phantasien von Elon Musk und Sam Altman werden. Aber das wird noch Jahre dauern.
Ein Jahr später, 2016, schwört CEO Sundar Pichai die Google-Belegschaft und Shareholder ein, dass Google nicht länger eine “Mobile-First Company” sei. Stattdessen müsse man eine “AI-First Company” werden. Jedes sich in der Zukunft stellende Problem möchte Google mit Hilfe von maschinellem Lernen lösen.
Früh erkennt das Unternehmen beim Ranking von Webseiten und Ausspielen von Anzeigen die Macht der künstlichen Intelligenz und beschließt, sie auf ein breites Spektrum von Forschungsfeldern anzuwenden. Bei DeepMind forscht man an Schach- und Go-Spielern, aber auch chemischen und physikalischen Spezialmodellen und Wettervorhersagen. KI-Forscher verdienen schon damals Top-Gehälter bei Google. Für seine Labore DeepMind und Google Brain leistet sich der Konzern die Creme de la Creme der KI-Forschung.
Kein Zufall also, dass das Forschungspapier “Attention is all you need” (2017), welches die Transformer-Technologie begründet und zu einer Explosion der Grundlagenmodelle führen soll, ebenfalls bei Google Brain entstand.
Oft überlege ich sogar, ob man bei Google nicht sogar schon eine weitere Dekade davor, nämlich 2005 oder noch früher, zumindest ahnte, warum es sich eines Tages als wertvoll erweisen könnte, “die Informationen der Welt zu organisieren”. Dabei handelt es sich um das erste “Mission-Statement” des Suchkonzerns, das man inzwischen übrigens nicht mehr verwendet.
Warum ich das denke? Das Digitalisieren sämtlicher Bücher der Welt im damaligen “Google Books” Projekt hat damals wenig Sinn gemacht. Millionen hat Google ausgegebenen, um mehr als 25 Millionen (!) Bücher in den Bibliotheken der Welt zu digitalisieren. Aus heutiger Sicht, mit dem Kontext des KI-Zeitalters, wirkt es wie ein prophetischer Masterplan.

Die 7. Generation der Google-Chips “Ironwood”
12 Jahre nach der Konzeption der ersten TPUs scheint ein weiterer Masterplan von Google aufzugehen. Googles Spitzenmodell Gemini 3 soll auf der neusten, inzwischen siebten, Generation der Spezialchips von Google trainiert worden sein. Wie ich auch in meinen Vorträgen seit Jahren unterstreiche, hat Google als erster die Relevanz von Hardware für das Rennen um AGI erkannt. Als Jensen Huang noch auf der GamesCon picklige Gamer mit Grafikkarten versorgte, definierte Google eine neue Hardware-Kategorie.
Heute bauen natürlich auch Amazon, Microsoft, Meta, Tesla, Apple und China an eigenen Spezial-Chips. Googles Voraussicht scheint sich aber auszuzahlen. So konnte man nicht nur unabhängig von teuren NVIDIA-GPUs ein absolutes Top-Modell produzieren. Laut Presseberichten sollen sich auch Marktbegleiter bei Anthropic, Meta und Machine-Learning-hungrigen Trading-Spezialisten für die Google Hardware interessieren.

Dass dieser Moment nicht nur ein weiteres Inkrement im Rennen um das Top-Modell, sondern vielmehr eine Zäsur sein könnte, zeigen auch die Reaktionen der Konkurrenz. Während man den Fortschritten der Marktbegleiter normalerweise wenig Würdigung schenkt, reagieren sowohl der Chipbauer NVIDIA als auch die ChatGPT-Bastler bei OpenAI spürbar angefasst.
Sam Altman soll seine Belegschaft auf härtere Zeiten eingeschworen und sich dabei konkret auf die Durchbrüche bei Google bezogen haben. In einem ungewöhnlichen Statement verteidigte sich NVIDIA kürzlich nicht nur gegen die Vorwürfe des Big-Short-Trades Michael Burry. CEO Jensen Huang fühlte sich auch genötigt, vermeintlich mit Blick nach Mountain View, festzustellen, dass die eigenen Chips der Konkurrenz noch mindestens eine Generation (also 18-24 Monate) voraus seien.
Bei Google indes scheint man zu Glauben, dass man NVIDIA durchaus 10 Prozent des Marktes für KI-Chips abspenstig machen könne. Der KI-Infrastruktur-Boss in Mountain View erzählte Kollegen gar, dass man die Hardware-Kapazitäten alle 6 Monate verdoppeln müsse. Auf Sicht von 5 Jahren, würde das einer Vertausendfachung entsprechen.
Vor zwei Jahren schien es noch, als wäre Google vom Innovator’s Dilemma gefangen und würde sich im KI-Dschungel verdribbeln. Heute scheint Google seine Trumpfkarten im Ärmel gefunden zu haben und landet einen Stich nach dem anderen. Um einen KI-Gewinner zu küren, ist es dennoch zu früh. Man kann lediglich sagen, dass Google mit Hardware, Distribution und Daten bestens vorbereitet ist. Und mit TPUs könnte Google zudem zum Waffenverkäufer im Wettrüsten aufsteigen.
🔗 TechCrunch | CNBC
“Holy shit. I’ve used ChatGPT every day for 3 years. Just spent 2 hours on Gemini 3. I’m not going back. The leap is insane — reasoning, speed, images, video… everything is sharper and faster. It feels like the world just changed, again. ❤️ 🤖.”
Das sind die weiteren News der Woche:
💩 Verband der Familienunternehmer öffnet sich für AfD: Der Lobbyverband, der weniger die zehntausenden Familienunternehmer in Deutschland als mehr eine kleine Anzahl der erfolgreichsten Erben der Republik vertritt, möchte laut seiner Präsidentin Marie-Christine Ostermann, den Austausch mit der AfD suchen. Der Verdacht liegt nahe, dass man sich für den Fall des steigenden Einflusses der neuen Rechten ein paar Zeilen ins Wirtschaftsprogramm der AfD schreiben möchte. Ob die opportunistische Aktion von Erfolg gekrönt ist, wird sich zeigen. Vorerst hagelt es Gegenwind. Klar ist auch, dass keine Partei ein schlechteres Wirtschaftsprogramm vertreten als die Linke und die AfD.
🔗 tagesschau
👬 Ukrainische Twins sollen Elon Musks X sanieren: Nein, nicht die Klitschkos, sondern Dima und Ievgin Soboliev sollen viele Funktionen im ehemaligen Twitter mit xAIs Grok Chatbot ersetzen. So zumindest Musks Vision. Mein Verdacht: Musk muss bald wieder Geld für xAI raisen, um im globalen KI-Wettstreit Schritt zu halten. Den Anschein zu erwecken, Grok könnte Personal wegrationalisieren, wäre ein guter Salespitch für xAI, die ansonsten noch kaum Umsatz mit Grok machen.
🔗 The Information
📍 X offenbart User Locations: X-Produkt-Chef Nikita Bier verkündete diese Woche stolz, dass X fortan den vermuteten Aufenthaltsort von Accounts offenbar wird. Mit ungeahnten(?) Konsequenzen: Viele MAGA Accounts, die Trump und Musk regelmäßig retweeten, werden aus Billiglohnländern und dem osteuropäischen Ausland gemanagt. Die AfD Magdeburg wird in Thailand verortet, Maximilian Krah fällt auf, weil sein relativ erfolgreicher Account keinen Hinweis auf die Location hat.
🔗 404 Media
🪰 Weitere News gibt es in der letzten Folge des Doppelgänger Podcast…
🔗 Doppelgänger Podcast
📶 Chart der Woche: Demografische Zeitbombe

Projektion der Entwicklung der bevölkerungsreichsten Länder der Welt. Die fatalen Langfristeffekte der chinesischen Ein-Kind-Politik fallen sofort ins Auge. Auch dass die USA (dank Immigration) weiter wachsen könnten.
Wenn wir die Rentenpolitik in Deutschland nicht ändern, müssen wir auch hier bald die eigenen Kinder als Altersvorsorge zur Kasse bitten. Vielleicht bringt das ja den nötigen Wandel bei den Geburtenraten?
🎧 Hörenswert: Unternehmer:innen der Zukunft (ca. 54 min)

Mit Jan Bechler spreche ich im Amazon-Podcast über meine Karriere, KI und eCommerce. Reinhören lohnt sich.
🔗 Apple Podcasts | Spotify | Amazon
🎧 Hörenswert: The Battle for the Internet (ca. 29 min)

Machtkampft in Brüssel. Den Reportern von Follow the Money, insbesondere Simon van Dorpe, folge ich schon seit längerem. Der aktuelle Podcast beleuchtet mit tiefen Einblicken das Ringen zwischen Google und der EU-Komission.
🔗 Follow the Money | Spotify
🖨️ Earnings Season: Quartalsergebnisse der Woche
Montag 24. November: Zoom (AMC)
Dienstag 25. November: Alibaba (BMO), workday (AMC), zscaler (AMC)
Mittwoch 26. November: —
Donnerstag 27. November: —
Freitag 28. November: —
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Die erfolgreichsten Helfer:innen, erwähnen wir im nächsten Newsletter.