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KW43 - Subventionen für Sylt-Shuttle?
Doppelgänger Update (BETA)
Von Philipp Klöckner · 21. Oktober 2024
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❤️ Danke an alle, die letzte Woche neue Leser:innen auf unseren Newsletter aufmerksam gemacht haben! Die “Share the Newsletter” Funktion findet ihr am Ende der aktuellen Ausgabe und das Rennen startet jeden Montag von neuem. Der heutige Newsletter hat 1.495 Worte und das vollständige Lesen dauert etwa 5 Minuten. Heute ist Montag, der 21. Oktober 2024 und die KW43 startet.
🚁 Keine Staatshilfen für Lilium
50 Millionen Euro sollen sowohl das Land Bayern, als auch der Bund jeweils in das strauchelnde Flugtaxi-Startup Lilium investieren. Doch während Raumfahrt-Enthusiast Markus Söder seine Kreditlinie zusichert, konnte man im Haushaltsausschuss, trotz Unterstützung von Kanzler Scholz (SPD), Vizekanzler Habeck (Grüne) und Verkehrsminister Wissing (FDP) keine Mehrheit für einen Staatskredit finden. Eine seltene Koalition aus Grünen und FDP kippte die Staatsrettung.
Vorausgegangen war eine Petition des Startupverband. Zusammen mit einzelnen Investoren und Gründern mobilisierte man circa 750 Unterschriften für die (vorübergehende) Rettung des angeschlagenen Flugzeugbauers. Während die öffentlichen Fürsprecher dem Anschein nach vor allem ihre eigenen Felle wegschwimmen sehen (viele Fürsprecher sind unmittelbar oder über Umwege selbst in Lilium oder Zulieferer investiert, erwähnen das aber in aller Regel nicht, um nicht vom eigentlich Anliegen abzulenken), scheint auch etwa die Hälfte der Unterzeichner des Brandbriefes selbst bei Lilium angestellt beziehungsweise dem Investorenkreis oder direktem Umfeld der Firma zuzurechnen zu sein. Teilweise leihen sogar Angestellte von Outsourcing-Unternehmen aus Rumänien und Indien dem Anliegen des Startupverbandes ihre Stimme. Auf LinkedIn wiederum erhalten auch kritische Stimmen zur Staatsbürgschaft viel Zuspruch.
Auch die Argumente des Verbandes sind nur auf den ersten Blick schlüssig:
1. Es ginge nicht um Flugtaxis für Millionäre, sondern die Dekarbonisierung von 80% aller heute stattfindenden Flüge.
Tatsächlich werden Langstrecken und Urlaubsflüge noch auf absehbare Zeit nicht per Electrical Vertical Take-off and Landing (eVTOL) Flugzeug absolviert werden. Ob Strecken bis 600km überhaupt geflogen werden sollten darf man hinterfragen. Die angestrebte Lilium-Distanz von ca. 250 km konkurriert vor allem mit der Bahnschiene und dem Flug nach Sylt.
2. Die 50 Mio wären nur als Signal an Investoren zu verstehen. Es ginge nicht darum, ein “krisengeschütteltes Unternehmen” mit Staatsgeldern zu retten. Die Konditionen des Darlehens wären für KfW und damit die Steuerzahlerin “sehr vorteilhaft”.
Die Aussage spiegelt meiner Meinung nach nicht die Realität wider. Tatsächlich hat Lilium mit Wagniskapital, SPAC-Börsengang (-94% Performance für Anleger:innen), Distressed-Asset-Kapitalerhöhung, Darlehen und Wandelschuldverschreibungen sämtliche Mittel ausgeschöpft. Kein privater Investor möchte die weitere Vision dieser Gesellschaft finanzieren. Wenn die Konditionen so vorteilhaft sind, mögen die gutbetuchten Unterzeichner:innen doch 1% ihres persönlichen Vermögens mobilisieren und selbst von den Vorzugskonditionen profitieren.
3. Private Investoren aus China (Tencent) und den USA hätten schon 1.5 Mrd in Lilium gesteckt. Sie erwarten ein Signal, dass es nicht nachteilig wäre, in Deutschland zu investieren. Es habe auf der Welt noch kein erfolgreiches Flugzeugprogramm gegeben, das nicht staatlich unterstützt wurde.
Richtig ist, dass es sich bei Nachkriegsherstellern wie Airbus oder der brasilianischen Embraer um politische Unterfangen handelt. Luftfahrtpioniere wie Dornier, Fokker, Messerschmidt und Focke-Wulf haben ihre ersten Serien aber oft ohne Staatshilfe gebaut.
4. Liliums Wettbewerber wurden oft bereits staatlich gefördert. Joby erhielt 600 Millionen US-Dollar an Staatshilfen.
Das stimmt vermutlich. Allerdings sind Konkurrenten wie Joby Aviation, Archer Aviation oder die chinesische eHang auch deutlich weiter, was sich unter anderem in ihren Börsenkursen niederschlägt. Während Lilium 95% unter Wasser ist, verloren die anderen Anbieter maximal 50%. Die Weisheit des Marktes sieht diese Unternehmen also als deutlich attraktiver an, während er Lilium längst abgeschrieben hat.
5. Lilium hätte mehr als 1.000 Beschäftigte und “zahlt in Deutschland pro Jahr €50 Millionen an Steuern und Sozialabgaben”.
Die Erpressung des Staates qua Anzahl der Arbeitnehmer hat in Deutschland gute Tradition. Was mich aber wundert ist, wie Lilium 50 Millionen Euro an Steuern und Abgaben gezahlt haben will. Unternehmenssteuern fallen in Deutschland ausnahmslos auf Umsatz und Ertrag an. Beides ist im Fall von Lilium bis heute Fehlanzeige (obwohl im Börsenprospekt anders avisiert). Zudem sitzt die Muttergesellschaft in den Niederlanden, vermutlich um die deutsche Arbeitnehmermitbestimmung zu umgehen(?) und ist in den USA börsennotiert. Glaubt man bei Lilium tatsächlich, dass die abgeführte Lohnsteuer für Mitarbeiter vom Unternehmen geleistet wird? Falls ja: Schuldner der Lohnsteuer ist natürlich der Arbeitnehmer. Unternehmen führen diese nur stellvertretend bereits vor dem Nettolohn ans Finanzamt ab.
Den eVogel abgeschossen (sic!) hat Lilium-Investor und Seriengründer Christian Reber (Pitch.com). Über ihr Vehikel e42 (heute Freigeist) war Reber zusammen mit seinem Freund, dem deutschen TV-Unterhalter Frank Thelen, in Lilium investiert. [Bei der Recherche musste ich übrigens feststellen, dass Frank Thelens Freigeist Capital deutlich mehr nach einem kleinen Family Office, als nach einem echten Wagniskapitalfonds aussehen. Die absolute Mehrheit der Anteile liegt in der Hand von Thelen und seinen Freigeist-Vertrauten, während es maximal 1-2 externe Investoren gab. Mehr dazu im aktuellen Podcast.] Auf LinkedIn griff Reber nun die überbordende Skepsis einzelner Gründer und Investoren (Multi-Millionäre) an. Wie leider schon viel zu üblich wird jede Form von gesunder Skepsis oder Kritik als “Bashing” (Reber) oder “Hate” (Thelen) eingeordnet. Nachdem Rebers Angriff wenig Sympathie erntete, die Beschuldigten sich sachlich verteidigten und auch noch ein Lilium Mitgründer emotional mitdiskutierte löschte Reber seinen Appell nicht nur, sondern blockierte zugleich die zuvor angeprangerten Loyalitätsverweigerer. (Weil man derart erwachsenes Verhalten aus dem Freigeist Umfeld schon kennt, habe ich natürlich eine Sicherheitskopie des Postings angefertigt.)
Für seine Fürsprecher kann Lilium nur bedingt etwas und niemand freut sich, wenn ein deutsches Scale-Up in die Insolvenz gehen sollte. Nachdem die Investoren aber bereits Kleinanlegern unter falschen Versprechungen das Geld abgenommen haben und jede weitere Verwässerung in Kauf nehmen mussten, um das Unternehmen über Wasser zu halten, ist ein Ende mit Schrecken meiner Meinung nach die bessere Wahl. Denn auch mit den jüngsten Bürgschaften über 100 Mio und einer Beteiligung von Altinvestoren würde Lilium sich nur wenige Quartale Zeit kaufen. Danach bräuchte es erneut eine (öffentliche) Anschlussfinanzierung. Der Staat soll gerne die ersten Produktionsstätten für die Serienfertigung der eVTOLs unterstützen. Dazu braucht es aber zunächst die technische Machbarkeitsprüfung und eine Zulassung. Für den Weg dorthin gibt es Wagniskapital. Und das scheint gerade keinen Weg mehr zu sehen. Ganz sicher ist Volker Wissing nicht der bessere Venture Capitalist.
🔗 Startupverband | FAZ | Mananger Magazin
“Allein gegen die möglichen Milliarden an Steuereinnahmen erscheinen mir die 100 Millionen Euro als ein sehr attraktives Chance-Risiko-Verhältnis.”
Das sind die weiteren News der Woche:
💔 OpenAI & Microsoft Tech Bromance bruacht Paartherapie: Die Partnerschaft als größter Investor in OpenAI brachte nicht nur den Börsenkurs von Microsoft in neue Höhen, sondern sicherte dem Techkonzern auch Einfluss. Doch nun scheint das AI-Wunderkind um immer mehr Rechenzeit zu kämpfen und die Beziehung zwischen Mutter und Tochter fröstelt. Fakt ist: Microsoft CEO Satya Nadella kann die eigene AI-Strategie nicht ausschließlich auf OpenAI basieren und muss sowohl weiter in andere Unternehmen investieren, als auch Schlüsselpersonal für die eigenen Anstrengungen rekrutieren.
🔗 New York Times
🏃♀️ X-User rennen BlueSky die Bude ein: Weil X, ehemals Twitter, das Blockieren von Nutzern praktisch beschränkt hat, haben nach Auskunft des Konkurrenten BlueSky eine halbe Million Nutzer:innen binnen 24h Zuflucht auf der Alternativ-Plattform gesucht.
🔗 The Verge
🪙 Worldcoin wird zu World: Das Startup Worldcoin wurde vom Deutschen Alex Blania und OpenAI CEO Sam Altman gegründet um das Digital Identity Problem in einer Welt voller möglicher AI Deepfakes zu lösen. Nun veröffentlicht man nicht nur die zweite Version des Orb Device, welches Fingerabdruck und Retinascan der Teilnehmer erhebt, sondern schüttelt auch die Namensendung “coin” ab und löst sich damit rein optisch ein wenig von der Crypto-Bubble.
🔗 TechCrunch
🧮 Chart der Woche: Kosten der Raumfahrt in der SpaceX Ära
Innerhalb von nur 20 Jahren konnten die Kosten pro ins All transportierten Kilogramm dank Elon Musks SpaceX um 98% reduziert werden. Was der umstrittene Unternehmer für die Raumfahrt erreicht, kann man nur bestaunen. Meiner Meinung nach wird die Bewertung von SpaceX die von Tesla bald übertreffen.
🔗 Visual Capitalist
Im Haken Dran Podcast mit Gavin Karlmaier geht es wie immer um Elon Musk, X und Social Media Themen. Wer diese Woche nicht genug vom Doppelgänger Podcast bekommen hat, kann hier noch etwas weiterhören oder -schauen.
🔗 YouTube
🖨️ Earnings Season: Quartalsergebnisse der Woche
Montag 21. Oktober: Kaspi (BMO), SAP (AMC)
Dienstag 22. Oktober: verizon (BMO), General Motors (BMO), Enphase (AMC)
Mittwoch 23. Oktober: Boing (BMO), Tesla (AMC), ServiceNow (AMC)
Donnerstag 24. Oktober: American Airlines (BMO), Coursera (AMC)
Freitag 25. Oktober: —
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