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KW28 - Wie der weiße Prince im Datenkrieg aufrüstet...
Doppelgänger Update (BETA)
Von Philipp Klöckner · 7. Juli 2025
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🥷 Was wirklich hinter Cloudflares “Content Independence Day” steht

Der Begriff Content Independence Day könnte irreführender nicht sein. Zwar verspricht das US-Unternehmen Cloudflare seinen Kunden, ihnen die Unabhängigkeit und Kontrolle über die Monetarisierung ihrer Inhalte zurückzugeben. Doch im Vergleich zum ebenfalls letzte Woche stattfindenden US-Nationalfeiertag “Day of Independence” besiegelt dieser Julitag nicht das Ende eines Krieges, sondern den Kriegseintritt einer weiteren Partei.
Aber von Anfang an. Cloudflare, das ist so etwas wie das lokale Hosting-Unternehmen für Websites, Videos und Apps, welches garantiert, dass Inhalte immer physisch so nah wie möglich am Konsumenten gehostet werden, damit man sie in Bruchteilen von Sekunden erreichen und konsumieren kann. Cloudflares Content-Delivery-Network (CDN) sichert dies aber für den Großteil der Weltbevölkerung ab. Egal wo eine Firma sitzt, Cloudflare distribuiert digitale Inhalte effizient und schnell zum Endpunkt der Nutzung. Zudem sichert man ab, dass Bots und Hacker die Webseiten der Kunden nicht über Gebühr stressen oder gar schädigen.
Anfang Juli kündigte Cloudflare CEO Matthew Prince nun einen wichtigen kleinen Schalter in der Nutzungsoberfläche für seine Kunden an. Mit einem Klick können Kunden ihre Inhalte für die Datensammelroboter (Crawler) der großen und kleinen KI-Unternehmen sperren. Seit dem 1. Juli wird zwar nicht zurückgeschossen, aber die Schotten werden dicht gemacht. Damit droht den KI-Spidern gleich zweierlei Unheil. Einerseits wird es zunehmend schwerer, kostenfrei zugängliche Daten zum Training neuer KI-Modelle im Netz zu finden. Gerade wenn Publisher ihre Inhalte nun mit Cloudflares Hilfe sperren.
Noch wichtiger aber, ist der Umstand, dass die DeepSearch, DeepResearch, DeepThink und sonstige Live-Recherche-Funktionen der KI-Chatbots von OpenAI, Gemini, Grok und Co. nun bei der Recherche für Nutzer auf Teile des Netzes nicht mehr in Echtzeit zugreifen können. Schicken wir unseren KI-Agenten in die Spur, um uns eine leidige Recherche abzunehmen, besuchen diese Bots oft hunderte von Websites, um nach Informationen zu suchen. Diese Quellen könnten nun zunehmend verschlossen sein.
Verschärfend wirken einige Fakten. Zunächst muss man die infrastrukturelle Rolle von Cloudflare erkennen. 20 Prozent der Websites und rund ein Drittel der größten 10.000 Websites laufen auf Cloudflare Technologie. Zieht man die eigenen Websites von BigTech ab, intermediert Cloudflare vermutlich mehr als die Hälfte des unabhängigen Internet-Contents.
Konnte man KI-Bots nicht auch ohne Cloudflare blocken? Natürlich. Das war zumindest theoretisch auch vorher möglich. Neu ist aber, dass Cloudflare jede neu kreierte Website im eigenen System per Default auf den geschützten Status setzt. Bestehende Websites lassen sich mit einem Klick von KI-Bots abschotten. “Defaults matter” ist ein wichtiger Leitsatz, um die Nutzung digitaler Technologien zu verstehen. Viele Publisher werden Cloudflares Empfehlung folgen.
Der neue Sheriff in Town schießt zudem mit schärferen Waffen. Während sie die nur pro forma verbindliche robots.txt-Anweisung um KI-Bots zu blockieren leicht umgehen lässt, gibt es niemanden, der es so exzellent und effizient beherrscht sogenannte “rogue bots”, die sich nicht an Anweisungen halten in ihre Schranken zu weisen. Die Geschichte und das Marketing von Cloudflare basieren auf der Erzählung, dass Cloudflare seine Kunden nicht nur vor kleinen Content-Dieben, sondern im Ernstfall auch vor Milliarden von automatisierten Anfragen durch Hacker oder feindliche Staaten schützen kann. Niemand kann den Content seiner Kunden glaubhafter schützen und die KI-Bots das Leben schwer und unerschwinglich machen.

Immer mehr Suchanfragen leiten keine Besucher an Webseiten weiter (SimilarWeb)
Aus PR-Sicht ist der Content Independence Day ein Meisterstück. So liefert der neue Sheriff auch gleich die Fahndungsplakate für die “Bad Actors” im Netz. Die Website goodaibots.com soll eine Positivliste für Wohlverhalten zeigen. Werden die Bots von Unternehmen wie Claude oder xAI aber mit vielen roten X-Zeichen für mangelnde Compliance stigmatisiert, liest sich die Good AI Bots Webseite mehr wie eine Fahndungsliste von Interpol.
Auch den Anlass zur Kriegserklärung an KI-Crawler lieferte Prince in bester Diplomaten-Manier ein paar Tage vor der offenen Schlacht. In seinem “Radar” Analysedienst, wo Cloudflare die großen statistischen Merkmale des Netztraffic auswertet, zeigt man nun, wie oft KI-Bots eine HTML-Seite runterladen, bevor sie mal einen Besucher vorbeischicken. Content für Traffic war mal ein impliziter Vertrag zwischen Webseiten und Suchmaschinen. Diesen haben die Search- und KI-Anbieter nach Auffassung von Prince aufgekündigt. Google crawlt achtmal eine Seite für jeden Besucher. KI-Anbieter schicken viel seltener Nutzer und crawlen Tausende HTML-Dokumente für jeden Besucher, den sie schicken und somit Publisher bei der Monetarisierung unterstützen. Die Zahlen wecken nicht nur sofortiges Entsetzen, sondern auch Neid und die Bereitschaft, die Gewalt über die eigenen Inhalte in die eigene Hand zu nehmen.

Quelle: Cloudflare Radar
Ein weißer Ritter ist CEO Prince aber beileibe nicht! Auch wenn Cloudflares Geschäftsziele mit den Herausforderungen der Kunden korreliert scheinen, sich als Schiedsrichter in den Content-Krieg zwischen Publishern und BigTech zu schieben könnte lukrativ sein. Wurde Content bis jetzt einfach ausgebeutet, möchte Cloudflare einen automatisierten Marktplatz schaffen. Die Abschottung des Contents soll KI-Anbieter nur an den Tisch bringen um anschließend für die Inhalte zu zahlen. Für Cloudflare ist das nicht nur ein wertvolles Feature, sondern ganz sicher hofft man darauf, dass 10%-20% der Contentzahlungen als Gebühr für die Organisation des Marktes übrig bleiben.
Neue Einnahmen, denen fast kein Aufwand gegenübersteht. Ein kleiner Schalter und ein Payment-Modul und fertig ist der größte Content-Marktplatz der Welt. Publisher brauchen das Geld, KI-Firmen die Daten. Angebot und Nachfrage sind beinahe sicher. Zudem könnte mehr Umsatz mit wenig Aufwand der schwindenden Rohmarge von Cloudflare nutzen. Die sank zuletzt auf 76 Prozent. Der Markt würde lieber 80 Prozent sehen.
Das Blocken der Bots schont zudem die Infrastruktur von Cloudflares CDN. Jeder blockierte Roboterzugriff ist eine Webseite weniger, die der Server ausliefern muss. Was wie eine Petitesse klingt, wird zu Kosteneinsparungen im Milliardenbereich, wenn man bedenkt, dass 50-80% des Webtraffic aus Bots besteht. Cloudflare hat jeden Anreiz, so viele Bots wie möglich im Namen der Kunden zu blocken. Per Default die Kontrolle über die robots.txt-Anweisungen der Webseiten zu übernehmen gibt ihnen das Mittel dazu.
Und dennoch ist der Umstand, dass die Herausforderungen der Kunden auch die Chancen für Cloudflare darstellen, ein glücklicher. Zurecht muss man warnen, dass der CDN-Anbieter hier seine infrastrukturelle Rolle eiskalt instrumentalisiert. Am Ende kämpft Cloudflare aber an der Seite der Webmaster. Sollten KI-Bots weiter mit dem Content der Publisher Fragen beantworten und dabei immer weniger Traffic zurück ins Netz kommen, drohen Webseiten zu verwaisen und obsolet zu werden. Der Erhalt des WorldWideWeb ist auch im Interesse Cloudflares, denn die Webseiten sind ja die Kunden des Unternehmens.
Spannend werden auch die nächsten Schritte. Effizient wäre der Content-Marktplatz, wenn Cloudflare statt dem Recht zum Content-Crawlen direkt die Inhalte des Netzes per API oder Realtime-Data-Dump verkaufen würde. Damit würde man zum wichtigen Schaufelverkäufer in der KI-Ära. Die Gegenseite aber schläft nicht. “Rogue Bots” werden noch hartnäckiger versuchen, Inhalte im Netz zu klauen. Die nächsten KI-Startups könnten ihre Trainingsdaten auf Schwarzmärkten einkaufen, wie es teilweise in China passiert.
All das ist aber nur eine erste große Schlacht im Krieg um die Daten. Wer seine Hand auf Kundendaten hat, versucht gerade die Gewalt darüber zu erlangen. Dabei gibt man sich natürlich wie der brave Hirte, der die Kundendaten “einzäunt”. Die Slack-Mutter Salesforce gibt konkurrierenden Enterprise Research Systemen wie Glean keinen Zugriff mehr auf Konversationen. Der australische Kollaborationstoolanbieter Atlassian (Jira, Trello) plant ähnliches. Microsoft, SAP, Oracle und weitere werden folgen.
Wer die meisten Kundendaten im System of Record verwaltet, ist auch in der besten Position, KI-Lösungen zu verkaufen. In einer Welt, wo KI-Grundlagenmodelle kaum differenziert sind, wird um die Daten umso unerbittlicher gefochten werden.
🔗 The Verge | Ausführliche Analyse im aktuellen Doppelgänger Podcast
Das sind die weiteren News der Woche:
🗳️ Musk gründet America Partei. Nach seinem kläglichen Debüt im politischen Zirkus der USA eröffnet Tesla-CEO Elon Musk nun das 2. Kapitel. In der Republikanischen Partei ist Musk wegen seiner steigenden Unbeliebtheit zur Persona non grata geworden. Weil niemand mit ihm spielen will, gründet er nun seine eigene Partei. Zwar hat Musk schon bewiesen, dass er bereit sei Stimmen und Erfolg zur Not mit Geld zu kaufen, die Wahl in Wisconsin hat aber bewiesen, dass auch das nicht immer erfolgreich ist. Musks Partei wird zunächst vor allem die Republikaner Stimmen kosten. In einer möglichen Koalition mit der America Partei könnten sie diese dann mit Kompromissen zurückkaufen. Dass man damit das Kernthema Staatsdefizit erfolgreich beeinflussen kann, halte ich aber für eher unwahrscheinlich.
🔗 Spiegel
🎫 BCG modellierte Deportation von Palästinensern Wie die Financial Times exklusiv berichtet, planten Partner der Beratungsfirma BCG unter anderem die “Relocation” der palästinensischen Bevölkerung aus Gaza. Unter dem Codenamen “Aurora” (dt. Sonnenaufgang) wurde im Rahmen eines millionenschweren Projekts der Wiederaufbau Gazas modelliert. Teil der Excel-Planung war auch eine Abfindungszahlung von 9.000 US-Dollar, um eine halbe Million Menschen dazu zu bewegen, ihre Heimat zu verlassen.
🔗 Financial Times
🛑 OpenAI warnt vor RobinHood Stock Tokens: Im Rahmen des Europa-Launch gab der amerikanische Aktien-Casino-Anbieter RobinHood bekannt Kleinanlegern auch den Zugang zu noch nicht börsennotierten Firmen wie OpenAI oder SpaceX zu gewähren. Buzzwords wie Tokenisierung und die Blockchain sollen erklären, was eigentlich unmöglich ist. OpenAI erinnert per X-Post nochmal daran, dass die Tokens keine echten Anteile an der Firma repräsentieren. Die Tokens sind bestenfalls ein an den Preis der Anteile gebundenes Zahlungsversprechen. Aber auch der Preis pro Anteil steht nicht so fest bei privaten Firmen. Woher weiß ich also was die Tokens wirklich wert sein sollten? Ganz einfach: Was immer Retailanleger glauben. Wie bei den meisten Coins und Tokens. Wir erklären das nochmal in der Mittwochsepisode.
🔗 TechCrunch
🪰 Weitere News gibt es in der letzten Folge des Doppelgänger Podcast…
🔗 Doppelgänger Podcast
📈 Chart der Woche: Wo Trump Jobs schafft

Fast sämtliche neu geschaffenen US-Jobs im Juni sind in den Bereichen Regierung, Private Bildung und Gesundheit sowie Freizeit und Gastronomie entstanden. IT, Produktion und Baugewerbe schaffen derweil kaum neue Stellen.
🖨️ Earnings Season: Nächste Woche geht es wieder los!
Montag 7. Juli: —
Dienstag 8. Juli: —
Mittwoch 9. Juli: —
Donnerstag 10. Juli: —
Freitag 11. Juli: —
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Die erfolgreichsten Helfer:innen, erwähnen wir im nächsten Newsletter.