KW12 - Drei verunglückte Interviews...

Doppelgänger Update (BETA)

Von Philipp Klöckner · 18. März 2024


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❤️ Danke an Marcus B., Marvin und Lina, die diese Woche die meisten neuen Leser:innen auf unseren Newsletter aufmerksam gemacht haben, aber auch an alle anderen! Die “Share the Newsletter” Funktion findet ihr am Ende der aktuellen Ausgabe und das Rennen startet jeden Montag von neuem. Der heutige Newsletter hat 2.209 Worte und das vollständige Lesen dauert etwa 5 Minuten. Heute ist der 18. März 2024 und die KW12 startet.

🚫 TikTok: Was wenn China Verkauf nicht billigt?

Was ist passiert? Mit dem historischen Ergebnis von 50 zu 0 Stimmen beschloss ein Ausschuss des US Repräsentantenhauses (The House Commerce Committee) ein Verbot der chinesischen Social Media App TikTok. Selten sind sich Abgeordnete beider Parteien so einig. TikTok muss den Betrieb in den USA einstellen, oder das US-Geschäft innerhalb von 180 Tagen an eine Organisation verkaufen, die nicht unter chinesischer Kontrolle steht.

Grund für den Bann sind Vorwürfe, dass die App der ByteDance Tochter TikTok einerseits dazu geeignet sei, Nutzer:innen auszuspionieren. Andererseits könnten User über die Auswahl der vorgeschlagenen Clips oder die Unterdrückung gewisser Inhalte zu Opfern ausländischer Beeinflussung werden. Chinesische Propaganda und die Kuratierung der Inhalte könnten zudem dazu geeignet sein, die Gesellschaft weiter zu spalten, wie es z.B. Putins Russland im Cyberraum seit einiger Zeit vormacht.

Bewiesen werden konnte dieses Vorgehen bisher jedoch nicht. Auch wenn TikTok ohne jeden Zweifel die Möglichkeit dafür bietet und man der Kommunistischen Partei sicherlich ein Grundinteresse unterstellen darf, so gab es bisher keinen nachgewiesenen Fall von Spionage. Vielmehr erhebt TikTok ähnliche Daten wie andere Social Media Apps, z.B. die von META (Facebook, Instagram, Threads, WhatsApp), Snap oder Twitter/X. Auch Datenhändler bieten vergleichbare Daten an, die z.B. von Mobilfunkanbietern erhoben werden können. Was Datenschutz angeht scheint also zu gelten: Prostitution ist ok, mit Ausländern schlafen aber nicht.

AppStore PsyOps: Dass ByteDance und die Kommunistische Partei es nicht gut meinen mit dem Westen, zeigt sich vielleicht in dem Fakt, dass TikTok ausgerechnet in China selbst ebenfalls gebannt ist. Chinesische Teenager erhalten stattdessen Zugang zur Douyin-App, eine Art Streber-TikTok, dass vorbildlich Bildung und Erziehung vermittelt, und ebenfalls zu ByteDance gehört. Es wirkt so als würde die CCP dem eigenen Nachwuchs Spinat füttern, während man dem Rest der Welt Schokoriegel andreht.

Auch TikToks Reaktion auf die Abstimmung zeigt, wie weit man bereit ist zu gehen. So erhielten die meisten der 170 Millionen Nutzer:innen in den USA über die App einen Aufruf, ihre Abgeordneten per Telefon anzurufen, um deren Abstimmungsverhalten im noch ausstehenden zweiten Wahlgang des gesamten Repräsentantenhauses zu beeinflussen. Eine Art der direkten Einflussnahme, über die westliche Apps nicht einmal im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Ukraine nachdenken wollten.

Gegen den Bann sind vor allem drei Gruppen: Neben Nutzer:innen haben sich auch Tausende von Creator:innen eine Zukunft auf der Plattform aufgebaut und ein Bann käme vermutlich dem persönlichen Bankrott gleich. Auch einzelne Politiker wir Donald Trump, Marjorie Taylor Greene oder Alexandria Ocasio-Cortez (AOC) sprechen sie gegen einen Bann aus. Die Motivlage ist bunt schillernd und reicht von der eigenen Popularität auf der Plattform bis zu vermeintlichen Lobby-Interessen Dritter. Andere Politiker und NGOs meinen, dass ein Bann bzw. der Zwang zur Veräußerung gegen das 1st Amendment, insbesondere die Beschränkung der freien Rede, verstößt.

Befürworter des Verbots führen auch ein bestechend einfaches Argument an: Reziprozität. Wenn China westliche Nachrichten- und Social Media Apps verbietet, dann sollten auch die USA wehrhaft in den Informationskrieg eintreten.

Das Argument greift vermutlich aber zu kurz. Einerseits sollten die freiheitlichen USA sich eben nicht informationell abschotten. Tatsächlich haben die Menschen das Recht auf freie Rede und Information, auch wenn diese Propaganda umfasst. Vor allem würde man aber ein gefährliches Exempel statuieren. Blockt man chinesische Apps mit dem Verweis auf Gefahren, gibt man Dritten wie Indien, Russland oder Ländern im südamerikanischen und arabischen Raum oder gar der EU die Legitimation ebenfalls US-Apps zu blocken. Auch diese Apps haben negative Effekte, sind geeignet, aus politischen oder wirtschaftlichen Motiven Nutzer auszuspionieren und es wäre nicht das erste Mal, dass die USA versuchen, die öffentliche Meinung in anderen Ländern per PsyOps zu beeinflussen.

Wirtschaftlich scheint ein Exit akzeptabel. Zwar macht es wenig Sinn, nur die US-Nutzer:innen zu isolieren; wahrscheinlicher wäre eine klare Trennung zwischen China (Douyin) und dem Rest der Welt (TikTok). Für die Weiterführung des Geschäfts gäbe es zahlreiche Interessenten, die sich um Geld, Einfluss und Nutzerzugang bewerben. Auch viele der westlichen Investoren in ByteDance, könnten den aufoktroyierten Bann für eine gute Exit-Story halten. Für Sequoia, NEA, KKR, Tiger Global und viele weitere westliche Eigner ist sicher nicht 100% klar, wie man den eigenen Anteil an einer Firma, in der die CCP das goldene Votum hält, effektiv versilbert. Der Teilverkauf des ex-China Geschäfts würde das Investment signifikant de-risken. Denn auch das Userwachstum auf TikTok ist inzwischen auf Null gesunken. Allein X/Twitter im Musk Selbstzerstörungsmodus verliert mehr Nutzer.

Fazit: Der politische Wille in den USA scheint klar und ein Verkauf beschlossene Sache. Komplizierter wird die Entscheidungsfindung aber in China laufen. Die Partei schließt einen erzwungenen Verkauf aus und beruft sich ausgerechnet auf Fairness. TikTok einfach untergehen zu lassen, scheint aber auch für Peking keine realistische Option zu sein. Die Aktienkurse chinesischer Unternehmen sind wegen der angespannten Konjunktur und Konfliktängsten sowieso auf Tiefstkursen. Beweist die KP nun ein weiteres Mal, dass man Eigentumsrechte ignoriert und sich über Shareholderinteressen hinwegsetzt, könnte das auch die letzten Investoren noch verschrecken.
🔗 Financial Times | NPR | Bloomberg (Kommentar)

Das sind die weiteren News der Woche: 

🥇 Reddit IPO kommt zu 6.5 Mrd US-Dollar. Seit 2021 bereitet Reddit sich auf den Börsengang vor. Nun glaubt man, das Timing perfektioniert zu haben. Im Q4 des letzten Jahres wuchs der Umsatz um 25% und die aktiven Nutzer wuchsen um 27% auf nun 73 Millionen Daily Active Users. Ob Reddit wirklich 8 mal den 2023er Umsatz wert sein sollte, bezweifle ich. Nutzer- und Umsatzwachstum basieren vor allem auf einer jungen Romanze zwischen Google und Reddit. Bis zu 10 mal mehr Sichtbarkeit hat die Suchmaschine den Communities zuletzt eingeräumt. Selbst wenn das nachhaltig sein sollte, so wird es sicher keine weitere Verzehnfachung geben und es bleibt beim Einmaleffekt. (Siehe Chart der Woche) Ob Reddit zudem wirklich regelmäßig und dauerhaft hohe Lizenzeinnahmen für seine Inhalte die Inhalte seiner User erzielen wird, ist auch nicht mit Sicherheit planbar. Mehr dazu auch im aktuellen Doppelgänger Podcast.
🔗 Financial Times | IPO Deck | Zahlen (Sheet)

🥇 Top-Entwickler bauen Roboter Devin. Copiloten für die Programmierung sind eines der ersten AI Anwendungsbeispiele. Durch die stark kodifizierte Sprache, ist der Optionsraum beim Raten des nächsten Wortes besonders eng und es liegen viele gut strukturierte und dokumentierte Trainingsdaten vor. Microsofts Github Co-Pilot steigert die Produktivität von Entwickler:innen bereits um ca. 40%. Viele Big Tech Unternehmen haben eigene Programmierhilfen entwickelt. Die nur zwei Monate alte Firma Cognition Labs überraschte jetzt dennoch mit ihrem Agenten namens Devin. Besser denn je kann dieser Code schreiben, verbessern, Fehler suchen oder Dokumentation schreiben. Cognition Labs scheint eine Art Justice League der Softwareentwicklung zu sein. 10 von 10 der ersten Mitarbeiter nennen eine Goldmedaille der IOI “Programmiermeisterschaft” ihr Eigen.
🔗 Cognition Labs | Bloomberg

❄️ Palantir CEO Karp schießt gegen Short Seller: “Fast nichts macht einen Menschen fröhlicher als den Short Sellern ihr Kokain wegzunehmen.” sagte Alex Karp gegenüber CNBC. Anschließend drohte er noch, die Koksdealer zu den Häusern der Short Seller zu führen, wenn diese ihre Rechnungen nicht mehr zahlen könnten. Eventuell ein weniger durchdachtes Statement für den Chef eines Unternehmens, das sein Geld mit Software für Geheimdienste und Polizeibehörden verdient. Abgesehen davon, dass es empirisch betrachtet eher ein Red Flag war, wenn CEOs öffentlich Leerverkäufer diffamieren, frage ich mich seit wann Karp denn die Aversion gegen Nutzer:innen des weißen Pulvers entwickelt hat?
🔗 CNBC | Financial Times

🤷‍♀️ OpenAI CTO blamiert sich in Interview: Nicht viel besser lief ein kürzliches Wall Street Journal Interview für Mira Murati (35), die den CTO Posten bei OpenAI inne hat. Danach befragt, auf welchen Daten das beeindruckende Text-to-Video-Modell Sora von OpenAI trainiert wurde, drückt sich Murati um eine Antwort. WSJ Journalistin Joanna Stern lässt sie nicht vom Haken: “YouTube? Facebook Videos?” - Die um Worte ringende Murati zieht sich auf “öffentlich verfügbares Material” zurück. Zu vermuten die Technologiechefin wüsste die Antwort nicht ist hier ganz sicher zu kurz gegriffen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass man in Anbetracht bestehender Verhandlungen und Gerichtsverfahren mit Rechteinhabern sicher keine schlafenden Hunde wecken wollte. Den Eindruck ändert das leider nicht und auch nicht die Tatsache, dass es mehr Transparenz braucht.
🔗 Heise | WSJ | YouTube (Interview)

📈 Abu Dhabi will OpenAI Chips finanzieren: Sam Altmans Wüstensafari auf der Suche nach Funding für ein Chip-Unternehmen scheint Früchte zu tragen. Der vom Emirat Abu Dhabi ins Leben gerufene AI-Investor MGX wird angeblich zusammen mit dem Projekt G42 in Altmans Chip-Träume investieren. Beide Fonds werden von Sheikh Tahnoun bin Zayed al-Nahyan gesteuert. Hinzu kommt der Staatsfonds der UAE namens Mubadala. Der AI Minister der Emirate berichtet außerdem, dass auch xAI CEO Elon Musk in der Region nach Funding sucht. Die Golfregion ist derzeit eine Art “Investor of Last Resort”, da Pensionskassen und andere typische Wagniskapitalinvestoren in Ermangelung von neuen IPOs und Exits an chronischem Liquiditätsmangel leiden oder sichere Zinsen präferieren.
🔗 Financial Times

🍋 Noch ein missglücktes Interview. Twitter/X CEO Linda Yaccarino hatte Werbekunden schon ganz juckig gemacht, dass es mit ex-CNN Reporter Don Lemon auch bald eine (vergleichsweise) gemäßigte Stimme auf X gäbe, die dort ihre Interviews veröffentlicht. Anschub sollte dem Format “The Don Lemon Show” vermutlich ein Pilotinterview mit Plattformeigner Elon Musk machen. Für PR hat dieses auch definitiv gesorgt. Nur hat Musk die Kooperation mit Don Lemon im Nachgang des Interviews einseitig aufgelöst. Angeblich weil ihm wenig demütige Fragen nach Hate Speech und Ketamin-Abusus nicht passten. Ein weiteres Mal triumphiert Musks mangelnde Impulskontrolle über eine wie auch immer geartete Prinzipientreue beim Thema Free Speech. Prinzip hat hier nur die Unberechenbarkeit und die Abneigung gegenüber ungebeugten Journalisten.
🔗 Wall Street Journal | Tagesschau

🔎 Chart der Woche: Google Sichtbarkeit von Reddit geht durch die Decke

Faktor 10 mehr Sichtbarkeit hat der Suchmaschinengigant Google den Tausenden Communities (SubReddits) der Plattform Reddit.com zuletzt eingeräumt. Nachvollziehen lässt sich das dank Suchmaschinentools wie dem von SISTRIX (Abbildung). Man muss sich schon fragen, wie Google die Relevanz dieser Inhalte in der Vergangenheit so missverstehen konnte, dass man sie jetzt als so viel wertvoller einordnet. Aufmerksamkeit hat Reddits Content als wertvolle Quelle für Machine Learning, insbesondere der jüngsten Large Language Models, erlangt.

Da die Inhalte sich kaum verändert haben, muss Google die Reddit Inhalte vorher brutal unterschätzt haben oder gewichtet sie nun deutlich zu hoch. Oder versucht man die Content-Lizensierung für KI-Zwecke einfach in Traffic und neuen Nutzern zu zahlen?

📺 Sehenswert: The Internet’s Own Boy (105 min)

Durch die Recherche zum Reddit IPO erinnerte ich mich an den dritten Reddit-Mitgründer Aaron Swartz. Steve Huffman ist noch heute CEO. Sein Mitgründer Alesix Ohanian ist nicht nur als erfolgreicher Venture Capitalist, sondern auch als Ehemann von Serena Williams bekannt. Weniger hört man heute über Aaron Swartz, der sich 2013 leider das Leben nahm.

Der Dokumentarfilm "The Internet's Own Boy" aus dem Jahr 2008 beleuchtet das Leben von Aaron Swartz, einem jungen Internetaktivisten und Programmiergenie. Der Film zeichnet Swartz' bemerkenswerte Leistungen nach, wie die Mitbegründung von RSS und die Entwicklung von Open Access. Gleichzeitig thematisiert er auch die kontroversen Seiten seines Lebens, insbesondere seinen Kampf gegen die Vorratsdatenspeicherung und seinen tragischen Tod nach einem Gerichtsverfahren wegen Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz.

Der Film wirft Fragen über die Grenzen des Urheberrechts im digitalen Zeitalter, die Rolle des Internets als Plattform für Meinungsfreiheit und die Kriminalisierung von zivilem Ungehorsam auf. Es werden Interviews mit Familie, Freunden und Weggefährten von Swartz geführt, die ein komplexes Porträt eines brillanten, getriebenen und widersprüchlichen jungen Mannes zeichnen. "The Internet's Own Boy" ist ein eindringlicher Film, der zum Nachdenken über die Auswirkungen des Internets auf unsere Gesellschaft und die individuellen Freiheitsrechte anregt.
🔗 IMDb | YouTube

Information is power. But like all power, there are those who want to keep it for themselves.

Aaron Swartz

🎧 Hörenswert: Haken Dran - Das Social Media Update (ca. 75 min)

Wer sich für das Thema Social Media oder den Untergang von Twitter interessiert, für den ist der Haken Dran Podcast sowieso Pflichtprogramm. Diesen Montag durfte ich mal wieder bei Gavin Karlmaier zu Gast sein.
🔗 Spotify | Apple Podcasts

🖨️ Earnings Season: Quartalsergebnisse der Woche

Montag 18. März: StoneCo Ltd (AMC), dLocal (AMC)
Dienstag 19. März: XPENG (BMO)
Mittwoch 20. März: Pinduoduo [Temu] (BMO), Jinko Solar (BMO), Biontech (BMO), chewy (AMC)
Donnerstag 21. März: Accenture (BMO), BMW (BMO), Porsche (BMO), IONOS + United Internet (BMO), Nike (AMC), lululemon (AMC), FedEx (AMC)
Freitag 22. März: Hoch die Hände - Wochenende!
AMC: After Markets Close (nach Börsenschluss 22 Uhr) | BMO: Before Markets Open (morgens)
Nicht vollständig, lediglich Aktien, die wir als relevant erachten oder im Podcast/Sheet covern.

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Die erfolgreichsten Helfer:innen, erwähnen wir im nächsten Newsletter.