KW1 - Die WELD zu Füßen gelegt

Doppelgänger Update (BETA)

Von Philipp Klöckner · 30. Dezember 2024


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🛗 Die WELD zu Füßen gelegt…

Bildquelle: Natürlich KI-generiert

Was ist passiert? In der gestrigen Ausgabe der Welt am Sonntag (WamS) veröffentlichte die Tageszeitung aus dem Axel Springer Verlag einen Kommentar von Tesla-CEO Elon Musk. Wenig überraschend handelte es sich bei dem Text um eine flammende Lobrede auf die Partei Alternative für Deutschland (AfD). Musk mischt sich gerade nicht mehr nur in den USA, sondern vielerorts aktiv in Politik ein und supportet regelmäßig rechts-außen Kandidaten. Im Vorhinein soll es zu erbittertem Streit in der Welt-Redaktion gekommen sein.

So what? Meinen einige. Natürlich hat Elon Musk jedes Recht seine Meinung auch und gerade in Deutschland frei zu äußern. Und selbstverständlich hat die Presse das verfassungsmäßige Recht auch solche Meinungen zu publizieren, selbst wenn sie Parteien stützen, welche mutmaßlich regelmäßig Presse- und Meinungsfreiheit einschränken. Im Hause Springer sollte man das Problem aus Polen und Ungarn gut kennen. Wobei die polnischen Springer-Erzeugnisse FAKT und Dziennik sich einfach tendenziell auf die Seite der rechtspopulistischen PiS Partei stellten. Aus Orbans Ungarn zog man sich zurück und verkaufte Anteile an den Schweizer Ringier Verlag. Das Land rangiert im Pressefreiheitsranking unter Orban auf Rang 67 von 180. Polen steht auf Platz 47. Deutschland ist in den Top10.

Die tatsächlichen Fragen, welche man sich meiner Meinung nach stellen sollte, sind andere. Beginnend damit, warum ausgerechnet jener Oligarch, der sich das nach eigenen Angaben einflussreichste Soziale Netzwerk und die #1 News App in mehr als 100 Ländern gekauft hat und dabei Zielgruppe, Inhalte und Sichtbarkeit deutlich nach rechts verschoben hat, in besonderem Maße auf die Obhut von Presse- und Meinungsfreiheit angewiesen sei. Über sein als Hort der Freien Rede getarntes rechtes Meinungsnetzwerk X erreicht er weit mehr Menschen als die gesammelten Erzeugnisse aus dem Berliner Springer-Verlag. Es braucht nur einen kontroversen Post und Musk findet binnen Minuten in allen Leitmedien statt.

Die Welt hat Musk nichts anzubieten, was er nicht schon besäße.

Zudem war es vollkommen klar, dass es sich bei einem Kommentar des sich sonst auf 140 Zeichen kaprizierenden Amateurpublizisten um eine undifferenzierte Wahlwerbung für die in Teilen rechtsextremistische AfD handeln würde. Musk nennt die AfD den “letzten Funken Hoffnung für dieses Land”. Er traut ihr eine (I) Wirtschaftliche Wiederbelebung Deutschlands zu. Auch wenn Vertreter aus der Wirtschaft regelmäßig vor den Konsequenzen einer AfD-Regierungsbeteiligung warnen. Musk widmet sich außerdem dem Thema (II) Zuwanderung und Identität. Letztere sei durch das Streben nach Globalisierung in Gefahr und eine Nation müsse ihre Grundwerte und ihr kulturelles Erbe bewahren. Um Fremdenfeindlichkeit ginge es dabei selbstverständlich nicht. Hat Musk jemals ein Wort der AfD-Politiker und rechten Influencer gelesen, die er regelmäßig mit Reichweite versieht?

Auch beim Punkt (III) Energie und Unabhängigkeit scheint Musk seine Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Er moniert, dass Deutschland Strom aus Kohle und importiertem Gas erzeuge und dass “unbeständiger Wind- und Solarstrom” das Land für Unterbrechungen der Stromversorgung anfällig mache. Solche Unterbrechungen (Blackouts) sind im Süden der USA aufgrund der maroden Netze tatsächlich weit gängiger als in Deutschland. Und was die Kohle angeht, ist die von ihm geschätzte AfD doch der größte Befürworter. Auch was Gasimporte angeht, sind die Putin-Treuen keinesfalls abgeneigt. Die AfD wünscht sich jedoch, dass das Gas wieder von den heimlichen Unterstützern aus Moskau gekauft wird.

Der Banalitäten nicht genug, behauptet Musk auch noch, “Die Darstellung der AfD als rechtsextrem ist eindeutig falsch”. Schließlich würde die Vorsitzende Alice Weidel in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung mit einer Frau aus Sri Lanka (Anm. des Autors: in der Schweiz) leben. “Klingt das nach Hitler?” Natürlich nicht! Der war ja Österreicher und wer einen Döner isst, kann sowieso kein Nazi sein.

Dass die AfD aus EU und Euro austreten, und Russland- und Chinabeziehungen auch auf Kosten der USA ausbauen will verschweigt Musk. Das erwähnt der designierte Chefredakteur der Welt Jan Philipp Burgard jedoch in seiner Replik. Denn damit man Musks Wahlwerbung nicht 1:1 abdruckt, hat man ein Feigenblatt in Form einer Debatte konstruiert, in der gehorsame Journalisten Musks Werbung auch noch respektvoll und sachlich redaktionell einordnen müssen.

Natürlich könnte man behaupten, Musk entzaubert sich hier nur selbst und die Gefahr, dass er neue Wähler rekrutiert, sei begrenzt. Aber wenn Musk nachweislich keinen Schimmer von deutscher Politik und den erklärten Zielen der AfD hat, warum hebt man ihn dann überhaupt in die Rolle eine Kommentators? Werden wir nächsten Sonntag in der Welt die US-Politiker Bernie Sanders, Alexandria Ocasio-Cortez oder die Silicon Valley-Investoren Albert Wenger oder Reid Hoffman in der Welt lesen? Natürlich nicht.

Überhaupt deutet der Protest des Redaktionsausschuss vor allem darauf hin, dass die Einladung zum Kommentar an jemanden, dem die “Weld” (Elon Musk weiß nicht einmal wie man die Zeitung schreibt) nicht egaler sein könnte darauf hin, dass der Wunsch nach Publikation einer elaborierten Version von Musks AfD-Support-Tweet bei Springer mal wieder von ganz oben zu kommen scheint und Aussagen zufolge durch wiederholte Widerstände Eingang ins Blatt fand. Natürlich ist es CEO Mathias Döpfner weit eher zuzutrauen Musk die Welt zu Füßen zu legen, als der Redaktion. Döpfner vernetzt sich seit Jahren im Silicon Valley und strebt mit Politico und Business Insider nach Macht überm Teich. Wie Intelligencer berichtete, saß Döpfners Sohn Moritz einst sogar im Vorzimmer bei Paypal-Mafia Boss und US-Politik-Strippenzieher Peter Thiel.

Die Kritik aus der Redaktion ist auch deswegen relevant, weil man bei Welt natürlich “Kummer gewohnt ist”. Von Broder über Matussek bis Zitelmann versucht man regelmäßig eckige Charaktere in die runde Welt zu passen. Man darf der Redaktion weder Engstirnigkeit noch Diskursfaulheit unterstellen! Wenn sich also (laut Spiegel-Informationen) hochrangige Journalisten wie Robin Alexander, Tim Röhn oder Klaus Geiger auf die Hinterbeine stellen und die Meinungs-Chefin der Welt gar ihren Job an den Nagel hängt, scheint die Antwort auf die Frage nach der Genese des Musk-Kommentars so banal wie klar.

Dass das Abdrucken von De-facto-Wahlwerbung eines inhaltlich schwachen aber reichweitenstarken US-Oligarchen und der dahinter zu vermutende “redaktionelle” Prozess bestenfalls noch an den Murdoch’schen Rändern von Journalismus zu verorten ist, nicht den Höhepunkt des Springer-Journalismus markiert sollte ein jeder, dem innere Pressefreiheit, nämlich die der Journalisten, etwas bedeutet einsehen.

Mindestens genauso beschämend sollte es für den Axel Springer Verlag aber sein, dass Döpfner die Welt jemandem zu Füßen legt, der die antisemitischen Aspekte der AfD verschweigt, Twitter in das natürliche Habitat von Antisemiten gewandelt hat und selbst antisemitische Theorien (Great Replacement) aktiv zu verbreiten hilft. Zudem handelt es sich bei Musk um eben jenen Superschurken, der keinen Tag vergehen lässt, ohne nicht darauf zu verweisen, dass es sich bei der etablierten Presse, den sogenannten Mainstream-Medien oder Legacy Media, um eine Versammlung von Lügnern und Propagandisten handele, denen man unmöglich trauen darf.

Sich ausgerechnet vor jenem Musk zu verbeugen, der die Presse bei jeder Gelegenheit diskreditiert, und seinen Antisemitismus versucht mit einem performativen Auschwitz-Besuch zu übertünchen, schadet dem ohnehin niedrigen Ansehen des Journalismus von Welt.
🔗 Welt (archiviert) | Tagesspiegel | Spiegel | Medien Insider

“Legacy (formerly “mainstream”) media lies.”

Elon Musk - Tesla CEO und neue rechter Wahlkampfhelfer auf der ganzen Welt

Das sind die weiteren News der Woche: 

🤑 Tether macht 10 Milliarden US-Dollar Gewinn: Das Geschäft mit Stable Coins ist so profitabel, dass klassische Banken sich nun eigenen digitalen Währungen nähern. Societé Generale, Oddo BHF, BBVA und Deutsche Bank Tochter denken verstärkt über Stable Coins nach.
🔗 Bloomberg

☢️ Vive l’Énergie Nucléaire? Mit Nichten: Nach nur 25 Jahren Planung und Bau ging in der französischen Normandie der Atomreaktor Flamanville 3 ans Netz. Anstelle von 3,3 Milliarden Euro, wird das Projekt nur schlappe 10 Milliarden mehr verschlungen haben. In den nächsten Jahren wird Frankreich höchstwahrscheinlich mehr veraltete Reaktoren vom Netz nehmen als neue ans Netz bringen. Oder wie Horst Atomfried den schleichenden Atom-Ausstieg der Franzosen auf LinkedIn kommentieren würde: “WIR SIND JETZT NICHT MEHR DER EINZIGE GEISTERFAHRER IN EUROPA!!!!1111”
🔗 Reuters | Spiegel | World Nuclear News

🛟 Lilium vorerst gerettet: Letzte Woche unkte ich hier noch über das Ende von Lilium; dann geschah das Weihnachtswunder: Ein Münchner Private Equity Konsortium will die operativen Assets von Lilium übernehmen und damit auch die Jobs und Technologie retten.
🔗 Flight Global | ZEIT

🛫 Musk fliegt quasi täglich privat: Das zeigt eine Auswertung von Business Insider. So absolvierte der Jet des Milliardärs etwa 355 Flüge und verbrachte beinahe 900 Stunden in der Luft im letzten Jahr. Auffällig: Wie früh und wie oft Musk in direkter Nähe von Trumps Residenz in Mar-el-Lago landete: 31 mal berührte die Maschine am Palm Beach Airport den Boden. Besonders oft nachdem feststand, dass Trump die Wahl gewonnen hat.
🔗 Business Insider

🦉 Chart der Woche: Der Siegeszug von Social Video

Jede Generation hat ihr soziales Netzwerk Für Teenager spielen Facebook und Twitter (X) dabei schon lange keine Rolle mehr. Das tatsächliche Rennen geben sich Snapchat, Instagram, TikTok und YouTube, die allesamt mehr als 60% der jungen Bevölkerung in UK erreichen.
🔗 Financial Times

📺 Sehenswert: Andy Bechtolsheim - Der deutsche Milliardär hinter Google (ca. 25 min)

Im YouTube Kanal von “Hedgefonds Henning” und in der Funk Mediathek erschien ein neues Video über den Deutschen Andreas von Bechtolsheim, der mit Sun Microsystems nicht nur eine der bedeutendsten Hardware- und Softwarefirmen des letzten Jahrhunders mit aufbaute, sondern auch signifikant an der Entstehung Googles beteiligt war. Heute ist “Andy Bechtolsheim”, wie er im Valley genannt wird, CTO in seiner Firma Arista Networks, die modernste Data Center Technologie herstellt.
🔗 YouTube | ZDF Mediathek

🎧 Hörenswert: Deep Dive - Unternehmenszahlen lesen und verstehen (ca. 105 min)

In dieser besonderen Episode des Doppelgänger Podcast versuchen wir in einer Art Grundkurs Rechnungswesen interessierten Aktionär:innen und angehenden Analyst:innen zu vermitteln, wie man die drei Grundbestandteile der Quartalsergebnisse von Unternehmen auswerten kann. Dabei gibt es allerlei kleine Hacks, Anekdoten und ausführliche praxisnahe Beispiele.
🔗 Spotify | Apple | Website

🟨 Post der Woche

Ob Elon Musk weiß, wie in Deutschland der Bundespräsidenten gewählt wird? Wer sich auch nicht sicher ist, bekommt hier ein bisschen politische Bildung gratis. Aber Wikipedia findet Elon ja auch doof…

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